Mittwoch, 19. Mai 2010

D-Day minus 54 - Hermannslauf

Der Hermannslauf ist ein sonderbares Phänomen. Schon oft habe ich geschworen, das fiese alte Ding wieder mitzumachen. Bestimmt so oft, wie ich mich dann doch wieder, einem unkontrollierbaren Reflex folgend, angemeldet habe.
Ich sitze also wieder einmal im Bus auf der langen Fahrt zum Hermannsdenkmal und wundere mich einmal mehr, warum ich das tue. Immerhin waren gestern die Bielefelder Nachtansichten, die Nacht der Museen gewissermaßen, und wir waren erst um 1:00 Uhr zu Hause. Leistungsfördernd ist das nicht, aber Leistungsförderndes war sowieso sparsam gesät dieses Jahr. Müde stehe ich eine Stunde später im Feld der 7.500 Starter, soweit hinten wie noch nie. Viel zu voll, der Lauf, man hätte das Teilnehmerlimit nicht anheben sollen. Die Grenze von 4.000, die bis 2006 oder so galt, war schon zu hoch.
Plötzlich habe ich nur noch Zeit, festzustellen, dass ich soweit von der Startlinie entfernt stehe, dass ich den Strartschuss gar nicht hören kann, da muss ich auch schon mit der Masse lostrotten. Die folgenden Ereignisse haben sich subjektiv so zugetragen:

KM 4, Heidental: Es geht über Schotter steil bergab. Immer wieder versuchen Läufer, die Ihre Bestzeiten schon jetzt in Gefahr sehen, die Masse rechts und links, waghalsig durchs Gebüsch springend, zu überholen. Dabei entscheidet sich auf diesem Abschnitt gar nichts, außer der Frage, ob man sich schon nach 4 km auf die Nase legt oder erst später.

KM 6, Reitweg vor der Straßenquerung: Eine der engsten und unübersichtlichsten Passagen.
Um mich herum Läufer, die mit langen Hosen, Kompressionssocken, Windweste, dazu noch mit Taschen und Trinkgürteln bepackt aussehen, als wollten sie über der Normandie abspringen.
Die ersten Vornesteher müssen gehen. Natürlich nebeneinander. Puls 180. Ich, vor Ärger.

KM 11, Augustdorf: Noch 7 km vorher eine große Klappe gehabt, jetzt liege ich selber im Dreck. Eine riesige Baumwurzel muss sich, bis dahin perfekt getarnt am Wegesrand lauernd, mir blitzschnell in den Weg geworfen haben.
Es wird immer wärmer, Schwierigkeiten drohen. Andere haben sie schon längst.

KM 18, Oerlinghausen: In der Kurve warten, wie fast immer, Susanne und Marlene. Wichtiger Beschleuniger im kritischen Moment.

KM 22, Lämershagen: Das Schild Hermänner links, Weicheier rechts. Will eigentlich rechts, bin schon 11 Hermänner, da kann ich ruhig 1 Weichei sein. Die Masse treibt mich den harten Weg.

KM 26, vor Habichtshöhe: Die Strecke ist immer noch zu voll. Zusätzlich blockiert von einem Krankenwagen. Na, den Job möchte ich heute nicht haben! (Sonst übrigens auch nicht)

KM 29, Brands Busch: Notprogramm. Die letzte Steigung schaffe ich nur mit „Give Me Fire“ im inneren Radio.

KM 31,3, Ziel: Den letzten Kilometer bin ich, wie immer, fast geflogen. Mit einem Schlag bin ich tonnenschwer und nur noch Schmerz, aber durchaus mit mir und der Welt zufrieden. 3:11, das ist die schlechteste Zeit seit ich den Hermann laufe, aber wie ließ schon Johnny Cash in „Jackson“ June Carter singen: „...see, if I care“. Angekommen, fertig, Thema erledigt. Ab nach Haus zum Kaffeetrinken.

Den Hermann, das schwöre ich wie jedesmal, laufe ich nie wieder. Diesmal wirklich.



Hermannslauf (“Hermann´s run”, 31,3km more or less cross-country). A strange phenomenon. I often promised never to do it again. Probably as often as I, following an irresistible reflex, registered for the race.
Once again, I find myself on a bus out to the starting line underneath the “Hermannsdenkmal”, and once again I wonder, why I do this. Due to the “Nachtansichten”, Bielefeld´s Open Museum´s Night, it was late last night, 1:00 am. That´s not supposed to make you fit, but there wasn´t quite a lot of that at all so far. Later on I stand among 7500 runners, tired and as far in the back as never before. It´s just to crowded, they shouldn´t have lifted the limit up to 7500, the maximum of 4000 participants, which they had kept until 2006 had already been to much.
I´m so far away from the start that I don´t even hear the starting-gun going off, the masses just begin to push me forward. And off we go:

km4, Heidental: Steep downhill, gravelled road. Over-excited runners keep overtaking, obviously not knowing that no decision is made here, except the one if you´ll get yours knees and face damaged on the gravel or not.

km6, bridle path: Narrow path. Surrounded by runners under full armour: compression socks, windproof vest, bags, supplies; looking like they are going to bail out over Normandy.
The first slow runners who queued up in front have to walk. Side by side, of course. Heart rate 180 bpm, with anger .

km11, Augustdorf: This time it´s me who staggers and falls. A huge tree root must have jumped in my way having patiently waited for a victim.
Temperature rises, things may become difficult. To others, they already are.

km18, Oerlinghausen: As almost usual, Marlene and Susanne are waiting. Important accelerator in critical moment.

km22, Lämershagen: The stairs uphill and the sign: “Hermanns right, wimps left”. Wanted to turn right, I already am 11 Hermanns, I could stand being a wimp once. Spectators keep pushing me the hard way.

km26, before Habichtshöhe: Still too crowded. Ambulance blocking the rest of the path. Well, I wouldn´t want to do their job today (and no time else).

km29, Brands Busch: Emergency measures. The last climb can only be done with “Give Me Fire” on the inner radio.

km31.3, Finish: The last bit felt like flying, as it always does. Crossing the finish-line I´m nothing but pain, but well, not too disappointed. 3:11h, have never been slower, ever since I do the Hermann, but, according to June Carter in Johnny Cash´s “Jackson”: “… see, if I care”. Done, ready, home for having coffee.

I´ll never, as I always swear, do the Hermannslauf again. This time for real.